TVinfo: Sie sind einer der erfolgreichsten Komiker des deutschen Privat-Fernsehens, welchem sie vorwerfen sich zu einer wertelosen und gewinnorientierten Gelddruckmaschine zu entwickeln. Wie passt das zusammen?
Michael Kessler: Indem ProSieben und Sat1 es mir ermöglichen, in verschiedenen Formaten meine Vorstellungen und Visionen von guter und neuer Comedy leidenschaftlich zu verwirklichen und damit auch einen Akzent in den Sendern zu setzen. Mit meiner Arbeit als Schaupieler und Autor bei "Switch Reloaded" oder "Kesslers Knigge" setze ich auf Qualität, neue Ideen und Ansätze. Und dann ist da noch der rbb, mit dem ich eines der für mich interessantesten Formate überhaupt produziere, die "Berliner Nacht-Taxe".
TVinfo: Hat das klassische Fernsehen eine Zukunft, die längerfristig trägt?
Michael Kessler: Das klassische Fernsehen wird vor allem durch qualitativ hochwertige Formate und Inhalte überleben und das kostet einfach viel Geld. Die werbefreie DVD nimmt an Bedeutung zu. Dennoch stehen wir vor gewaltigen Veränderungen. Werden die Clip-Kids von heute in Zukunft noch Zeit und Muße haben, einen 90 minütigen Film zu sehen? Wird die Comedy-Sendung der Zukunft 30 Minuten oder nur 15 Minuten dauern? Um die Brücke zum Internet kommen wir auf keinen Fall herum. Wie diese Brücke genau aussehen soll, weiß aber noch keiner so recht.
TVinfo: Ist Knigge die Fusion von klassischem Fernsehen und Internet-Videos?
Michael Kessler: Nicht nur mit "Knigge" versuche ich ganz bewusst den Brückenschlag zwischen TV und Internet. Beide Formate zielen darauf ab, für beide Medien kompatibel zu sein. Wir sind aktiv am Experimentieren. Im Herbst beginnen wir wieder aus der "Nacht-Taxe" live ins Internet zu streamen. "Knigge" wird plötzlich im Internet millionenfach geklickt. Im TV haben es da beide Sendungen schwerer. In Deutschland verändern sich Gewohnheiten eben nur sehr langsam. Vor allem die der Fernsehzuschauer. Das ist im Internet und seiner Community ganz anders.
TVinfo: Was halten sie vom Modell der GEZ-Gebühren?
Michael Kessler: Alles hat seine zwei Seiten. Die GEZ Gebühren ermöglichen einerseits ein unabhängiges, freies Produzieren. Sie haben die öffentlich-rechtlichen Sender aber auch zu schwerfälligen und verwaltungsaufwendigen Sendeanstalten aufgebläht. Ich bin dennoch der Meinung, dass sich Fernsehen nicht nur durch Werbung finanzieren darf. Unser öffentlich-rechtliches Sendersystem macht sehr viel hochwertiges und eindrucksvolles Programm.
TVinfo: Immer mehr TV-Promis entdecken das Internet als verlängerten Arm ihrer Medienpräsenz. U.a. nutzen Sie den Microbloggingdienst Twitter intensiv und parallel zur Ausstrahlung Ihrer Sendung Kesslers Knigge. Warum?
Michael Kessler: Twitter ist ein tolles Medium um einen schnellen und direkten Austausch mit Fans und Zuschauern zu betreiben. Ich bekomme während einer Ausstrahlung ein direktes und unkompliziertes Feedback und kann parallel "Making-Of" Fragen beantworten. Der Kontakt zwischen den Medien und Machern auf der einen Seite und den Zuschauern auf der anderen Seite ist vielfach gestört. Ich kann nur immer wieder daran erinnern, dass wir für das Publikum arbeiten und nicht für uns selbst. Twitter ist da für beide Seiten ein tolles Tool!
TVinfo: Der globale Twitterkönig Ashton Kutcher hat Ihren Knigge-Sketch zum Drogenmissbrauch beim Autofahren zitiert. Daraufhin sind die Zugriffe auf Youtube und ihre Followerschaft bei Twitter immens gestiegen. Was halten Sie davon, dass das Video jetzt von Youtube als jugendgefährdend eingestuft wird?
Michael Kessler: Seit Wochen ist das Video online. Nachdem ich es mit englischen Untertiteln versah, kam es auf den Index und ist nur noch für registrierte youtube-Nutzer zu sehen. Das ist albern. Schließlich geht es bei "Knigge" um Dinge, die man nicht tun sollte. "Knigge" ist harmloser als manche Gerichts- oder Talk-Show aus dem Nachmittagsprogramm. Aber keine Sorge. Es gibt noch viele andere eingestellte und Index-freie Versionen der "Knigge-Drogen"-Liste.
TVinfo: Verkommen Internet-Dienste wie Twitter zu reinen Marketing-Maschinen populärer Menschen/Firmen und verlieren dadurch ihre vielleicht gesellschaftliche Bedeutung?
Michael Kessler: Twitter hat uns gerade in der Krise im Iran auf eindrucksvolle Weise gezeigt, wozu es fähig sein kann. Da ich nichts Privates twittere, hat vieles mit meinem Beruf zu tun. Entscheidend ist: ich twittere persönlich und lasse nicht twittern! Und ich betreibe bei Twitter auch regen Austausch über andere Dinge und das genieße ich. Und wenn Sie mal lesen, wie viele Menschen belangloses aus ihrem Privatleben twittern, sehe ich keine Gefahr, dass Twitter zu einer Marketing-Maschine "verkommt". Bevor das passiert, wird die Community längst weitergezogen sein, die mag PR und Marketing nämlich gar nicht.
TVinfo: Drei Sätze zum Vervollständigen am Schluss: Der wichtigste Unterschied zwischen Bastian Pastewka und Oliver Pocher ist...
Michael Kessler: Dass ich über Bastian Pastewka herzlich lachen kann.
TVinfo: Wenn ich die Wahl hätte, als Sarah Silverman oder als Sacha Baron Cohen wieder geboren zu werden, dann wäre ich lieber ..., weil...
Michael Kessler: Sarah Silverman, weil ich Cohen's Humor auf Kosten anderer Leute nicht mag.
TVinfo: Für mich als Autor und Schauspieler wäre es am besten, wenn im Herbst bei der Bundestagswahl ... gewinnt, denn...
Michael Kessler: Eine Partei gewinnt, die unsere Probleme mutig und kräftig anpackt und unser Land erneuert und modernisiert.
TVinfo: Herr Kessler, wir bedanken uns für das Gespräch.
Das Gespräch führten Markus Pins und Michael Schanz.